Neues von Gasversorgung und Klimaschutz aus der Schweiz

Was gibt es Neues aus der Schnittmenge von Gasversorgung und Klimaschutz in der Schweiz?

  1. Gemeinde-Ratgeber aus Projekt «Gas-Infrastruktur» der Metropolitankonferenz Zürich
  2. Positionspapier des BfE zur künftigen Rolle von Gas
  3. Chancen und Grenzen der erneuerbarer Gase aus Systemsicht: neue Studie des Öko-Instituts
  4. Vernehmlassung zum Gasversorgungsgesetz
  5. Leistungsbilanz Ausbau der einheimischen Biogaserzeugung
  6. Gasnetz 2040: Sauber oder leer!

1. Das gemeinsam von der Metropolitankonferenz Zürich, EBP Schweiz AG, den Kantonen St. Gallen und Zürich und mehreren Partnern getragene Projekt «Gas-Infrastruktur» ist seit kurzem abgeschlossen. Die Resultate – in Form eines Fachberichts und eines Ratgebers für Gemeinden – sind unter www.metropolitanraum-zuerich.ch/themen/kooperationsprogramm/zukunft-der-gas-infrastruktur.html abrufbar. Der WWF Schweiz begrüsst das Projekt als einen Schritt in die richtige Richtung. Die Ergebnisse – Ratgeber und Fachbericht – sind jedoch einen Kompromiss aus den Anliegen der verschiedenen beteiligten Akteure und entsprechen damit nicht voll der Haltung des WWF. So werden beispielsweise Einsatzbereiche für erneuerbares Gas benannt, für die es allenfalls effizientere Lösungen geben wird. Die Sichtweise des WWF findet sich in unserem Hintergrundpapier (www.wwf.ch/erdgas bzw. www.wwf.ch/gaz_fossile).

2. Im Oktober 2019 hat das Bundesamt für Energie ein Positionspapier zur künftigen Rolle von Gas und Gasinfrastruktur in der Energie-versorgung der Schweiz publiziert: www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/news-und-medien/publikationen.exturl.html/aHR0cHM6Ly9wdWJkYi5iZmUuYWRtaW4uY2gvZGUvcHVibGljYX/Rpb24vZG93bmxvYWQvOTgyMw==.html  Das Dokument liefert einige wichtige und hilfreiche Grundlagen für die Diskussion der künftigen Gasversorgung. Es bestärkt den auch vom WWF propagierten Grundsatz, dass erneuerbare Gase vorrangig dort eingesetzt werden sollen, wo sie für Klimaschutz und Versorgungssicherheit unverzichtbar sind – und dass Raumwärme und Warmwasser nicht zu diesen Verwendungszwecken gehören. Warum erneuerbare Gase in diesen Bereichen dennoch vorübergehend zum Einsatz kommen sollen, kann das BfE nicht überzeugend darlegen. Zumindest besteht dadurch die grosse Gefahr, dass in neue Gasheizungen mit einem kleinen Biogas-Anteil investiert wird, die über ihre gesamte 20-jährige Lebensdauer teil-fossil betrieben werden – während die Schweiz spätestens 2040 längst netto-null Emissionen erreicht haben muss. Für diese Heizungen gibt es meist komplett erneuerbare Alternativen und das Biogas würde in anderen Anwendungen dringender gebraucht.

3. Das deutsche Öko-Institut hat eine Übersichtsarbeit zum Forschungsstand bzgl. strombasierter Stoffe – also auch Power-to-Gas (PtG) – vorgelegt: www.oeko.de/publikationen/p-details/die-bedeutung-strombasierter-stoffe-fuer-den-klimaschutz-in-deutschland. Die Autoren zeigen auf, dass strombasierte Stoffe wie PtG zur Erreichung ambitionierter Klimaschutz-Ziele erforderlich sind. Zugleich betonen sie, dass diese aufgrund begrenzter Ressourcen (erneuerbarer Strom, allenfalls CO2) und hoher Kosten immer erst die dritte Wahl sind: nach Ausschöpfung der Effizienz-Potenziale und direkter Stromnutzung. Sie gehen davon aus, dass ein Grossteil der strombasierten Stoffe aus dem Ausland importiert werden wird, und zeigen Regulierungsbedarf auf. Die Resultate beanspruchen Gültigkeit für Deutschland, sind aber teilweise auch auf die Schweiz übertragbar.

4. Die Vernehmlassung des GasVG ist abgeschlossen. Die Auswertung der Antworten durch das BfE läuft. Aus Sicht des WWF braucht es klare Spielregeln für den fossilen, klimaschädlichen Energieträger Erdgas – und der (wachsenden) Anteile an erneuerbaren, klimaverträglichen Gasen. Die Spielregeln müssen so ausgestaltet sein, dass die Gasversorgung so schnell vollständig dekarbonisiert wird, wie es das von der Schweiz ratifizierte Klimaabkommen von Paris und die aktuellen Erkenntnisse der Wissenschaft vorsehen (für Industrieländer wie die Schweiz spätestens 2040). Dies muss nicht alles im GasVG geregelt sein (für vieles eignet sich z. B. das CO2-Gesetz viel besser), aber die Vorgaben im GasVG dürfen dem nicht im Wege stehen. So fordert der WWF, dass die Gasnetzbetreiber die vorzeitige Stilllegung von Gasleitungen und allfällige Rückbaukosten anrechnen können. Dies legt auch eine Studie im Auftrag des BfE selbst nahe (www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/versorgung/fossile-energien/erdgas/gasversorgungsgesetz.exturl.html/aHR0cHM6Ly9wdWJkYi5iZmUuYWRtaW4uY2gvZGUvcHVibGljYX/Rpb24vZG93bmxvYWQvOTgzNg==.html), es fehlt aber in der Vernehmlassungsvorlage.

5. Der Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) hat sich selbst zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2030 mindestens 30% des Gasverbrauchs im Wärmesektor – also ca. 18% des gesamten Gasbedarfs – mit erneuerbarem Gas zu decken. Auch wenn dieses Ziel mit Blick auf eine vollständige Dekarbonisierung des Gasverbrauchs bis 2040 völlig unzureichend ist, lohnt sich ein Blick auf die bisherige Leistungsbilanz bzw. den Grad der Zielerreichung. Dabei wird deutlich, dass zumindest die einheimische Erzeugung und Einspeisung von Biogas längst nicht auf Zielkurs ist, sondern auf sehr niedrigem Niveau stagniert. Der Anteil am Endverbrauch Erdgas bleibt weiter unter 1%. Die Werte für importiertes Biogas, die der VSG in seiner Rechnung berücksichtigt, sind nur geringfügig besser. (Quelle: https://gazenergie.ch/fileadmin/user_upload/e-paper/GE-Jahresstatistik/VSG-Jahresstatistik_2019.pdf). Fazit: Es braucht viel mehr Biogaserzeugung in der Schweiz!

6. Nicht erst in Zeiten von Corona gilt es immer wieder, Investitionsentscheidungen unter Unsicherheit zu treffen. Niemand kann dabei Gewissheit über die gesellschaftlichen, technologischen und ökonomischen Entwicklungen der nächsten Jahrzehnte für sich proklamieren, auch der WWF natürlich nicht. Aber das bewährte Vorsorgeprinzip gebietet es, auf die Optionen zu setzen, die die Erreichung der wichtigsten Ziele – und das heisst heutzutage definitiv auch: Vermeidung einer katastrophalen Klimastörung – in den verschiedensten denkbaren Szenarien maximal wahrscheinlich macht. D. h. Ihre Entscheidungen müssen uns darin unterstützen, die Energieversorgung spätestens 2040 CO2-frei zu gestalten. Die Messlatte lautet kurz gesagt: «Gasnetz 2040 – sauber oder leer».